Kurz, kürzer, YouTube-Shorts – Das sagt unser YouTube-Experte zum Deutschlandstart des Features
Mit einem neuen Kurzformat versucht YouTube der trendigen Konkurrenzplattform TikTok den Rang abzulaufen. Wie erfolgsversprechend ist das neue YouTube-Feature und was müssen Social Media Marketer über die Shorts wissen? Eine Einschätzung unseres YouTube-Experten Kwink Kurze.
Mit Supershort-Content von unter einer Minute wurde die chinesische App TikTok, ehemals muiscal.ly, weltweit erfolgreich. TikTok kam bei der Gen Z super an und sie befüllte die Plattform mit Lipsync, Tänzen, Comedy und Vielem mehr. Super kurz? „Das können wir auch!“, dachte sich YouTube, und entwickelte in den vergangenen zwei Jahren das Format Shorts. „YouTube pusht das neue Format enorm“, sagt HitchOn-Experte Kwink Kurze. „In Indien und USA ist das Feature bereits gestartet.“ Die ersten Daten zeigen: Die Videos von maximal einer Minute Länge kommen sehr gut an. Bereits im Dezember sprach Produktleiter Todd Sherman in einem Blogpost von 6,5 Milliarden Views auf Shorts – täglich! Das war zu dem Zeitpunkt bereits fast das Doppelte der täglichen Views, von denen die Hauptplattform berichtete.
Kwink: Ein paar Shorts zu schauen, das geht auch mal zwischendurch. Wenn man auf den Bus wartet, beim Schlangestehen oder in der Pause.
Tubesights: Aber wenn sich jemand drei bis vier Shorts anschaut, ergibt das aber ja noch keine lange Watchtime auf der Plattform. Was möchte YouTube dann mit den Shorts erreichen?
Kwink: In erster Linie geht es natürlich darum, im Wettbewerb gegen Konkurrenten wie TikTok am Ball zu bleiben. Aber man darf die Shorts auch nicht unterschätzen: Beim Swipen durch die Shorts entsteht ein echter Flow. Man wird selten nur drei bis vier Videos ansehen. Ehe man sich versieht, hat man den ganzen Abend mit YouTube-Shorts verbracht!
Tubesights: Und welche Art von Content findet man in den Shorts?
Kwink: Auf der Startseite der YouTube-App werden die Shorts ja schon angezeigt. Es gibt alles Mögliche rund um Comedy-Sketche, Life-Hacks, Food, Beauty, Meinungs-Statements etc. – alles quadratisch bis hochkant, häufig mit Musik unterlegt, alles extrem snackable. Teilweise werden mir Creator angezeigt, die ich vorher noch nie gesehen habe. Doch auch etablierte YouTuber aus den USA springen nach und nach auf: Zum Beispiel Logan Paul hat Mitte April 2021 einen eigenen Kanal für seine Shorts erstellt und in drei Monaten bereits über 60 Millionen Views gesammelt. Andere Creator, wie der Kanadier Ryan George, der eigentlich bekannt ist für seine sehr kurzen Sketche, kämpfen offensichtlich noch ein wenig mit dem ungewohnten Format, probieren sich aber mutig aus.
Tubesights: Das klingt aber doch alles ziemlich genau nach TikTok. Worin liegt dann der Unterschied zwischen TikTok und YouTube-Shorts?
Kwink: Die Shorts sind schon eine Art TikTok-Variante auf YouTube. Trotzdem ist das Feature unglaublich spannend! Natürlich werden mit den Shorts Jüngere explizit angesprochen. Aber im Grunde ist es Tiktok mit der gesamten YouTube-Zielgruppe – und die ist extrem divers, viel diverser als es auf Tiktok aktuell (noch) der Fall ist. Auch Ältere werden zum Beispiel durch klassischen Cat Content, den es in den Shorts zuhauf gibt, abgeholt, kriegen dann ein Video angezeigt über eine trickreiche Art, Schrauben in die Wand zu kriegen, worauf sie nie willentlich geklickt hätten, was sie aber verblüfft. Dann ein Short mit einem Zaubertrick, noch was Lustiges mit Tieren… In null Komma nichts sind auch Menschen, die YouTube maximal gelegentlich nutzen, drin und schauen ein Short-Video nach dem anderen. Auch das kennt man von TikTok, aber die App würde deine Großtante nie herunterladen und öffnen, während sie YouTube bereits vorinstalliert auf ihrem Android-Telefon hat.
YouTube-Shorts versus Tiktok – Folgen für Plattformen und Creator
Tubesights: Was macht das dann mit TikTok?
Kwink: Mittelfristig, schätze ich, wird es eine Wanderbewegung von TikTok zu YouTube geben – ähnlich wie man es seinerzeit bei Myvideo und YouTube beobachten konnte. Ein Beispiel: Cam Casey war erst bei YouTube erfolglos, wurde dann bei TikTok richtig groß und konzentriert sich nun komplett auf YouTube Shorts. YouTube kümmert sich deutlich besser um seine Creator, als TikTok es bisher macht. Etwa der Revenue, der bei den Creatorn bleibt, ist bei YouTube deutlich höher als bei TikTok. Aber TikTok wird deshalb nicht eingehen.
Super aufregend wird auch, wie YouTube seine Shorts mit einem eigenen USP weiterentwickeln wird. Angedacht sind zum Beispiel Effekte in der App. Ich sage, das wird ganz groß!
“Das Feature ist unglaublich spannend. Ich sage, das wird ganz groß!”
Tubesights: Früher hieß es ja immer: Ein YouTube-Video darf nicht so lang sein. Später wurden die Videos dann immer länger. Was machen die Shorts mit der optimalen Videolänge auf YouTube, wie lautet dahingehend deine Prognose?
Kwink: Ihre kurzen Videos werden die Creator zukünftig überwiegend im neuen Format produzieren, während die längeren Videos bleiben. Mittelfristig könnte ich mir vorstellen, dass vor allem mittellange Videos darunter leiden werden.
Tubesights: Wie integrieren sich die Shorts auf YouTube, sprich wie ist die Darstellung in der App oder auf der Webseite?
Kwink: Creator können Titel oder Videobeschreibung mit dem Hashtag #shorts versehen. Das Video erscheint dann als normales Video mit Thumbnail auf dem eigenen Kanal, wird aber auch über die Shorts per Empfehlungsalgorithmus ausgespielt. In Deutschland hatte man bislang noch nicht die ganze Funktionalität. Diese wird nun aber bis Ende des Monats an alle Creator ausgerollt und ist über die YouTube-App für alle verfügbar. Die Erwartung ist, dass sehr viele Menschen, die auf YouTube bislang nur zugesehen haben, das neue Format wegen des besonders leichten Zugangs auch aktiv nutzen werden und viele neue, bislang unbekannte Talente zum Vorschein kommen.