“Durch funk ist der Podcast zu einem Job geworden”

Wie die Macher von “Männerkitsch” sich professionalisiert haben

Ansgar Riedißer (22) und Max Deibert (26) veröffentlichen jeden zweiten Samstag ihren Podcast „Männerkitsch“. Dort sprechen die beiden Studenten über Rollenbilder von Männern und was eine moderne Männlichkeit heutzutage ist und sein könnte. Seit Februar sind sie Teil des funk-Talentnetzwerks. In Kooperation mit funk produziert HitchOn den Podcast und hilft den beiden, ihr Format zu optimieren. Vor ihrem Einstieg bei funk haben sie fast zwei Jahre lang regelmäßig ihren Podcast veröffentlicht – ohne jegliches Vorwissen oder Erfahrungswerte.  

 

Wie „Männerkitsch“ begonnen hat

Tubesights: Erinnert ihr euch noch an eure allererste Aufnahme? 

Ansgar: Ja, wir saßen damals in meinem WG-Zimmer in Leipzig. Wir wollten über Männermagazine reden und hatten dafür Magazine wie die GQ (Gentlemen´s Quarterly) gelesen. Da war aber einfach so viel los in den Magazinen, was wir nicht bis zum Ende durchdacht hatten. Die Aufnahme war ein totales Durcheinander, und wir hatten den Anspruch kein reiner Laber-Podcast zu sein. Das haben wir alles aber erst während der Aufnahme gemerkt.  

Tubesights: Was war das Problem? 

Ansgar: Das Thema war nicht klar, es gab keinen Gesprächsflow, es gab viel Stille oder Abschweifungen, die keinen Sinn gemacht haben. 

Max: Der Klassiker ist dieses Kichern. Ich höre so oft, wenn neue Podcasts rauskommen, dass in der ersten Folge die ersten fünf Minuten nur gelacht wird. Es ist natürlich schön, wenn Menschen lachen, aber man will auch wissen, um was es hier geht. Und bei uns war das genauso. Wir haben auch viel gelacht, uns ganz viel komisch angeguckt und fanden die Situation total awkward. Dann war es ganz gut, dass wir die ersten Folgen nicht veröffentlicht haben. 

Tubesights: Hat euch das entmutigt? 

Ansgar: Wir wurden auf den Boden zurückgeholt, aber wir waren nicht am Boden zerstört. Der Podcast war von Anfang an ein Versuch. Wir hatten immer geplant ein paar Episoden aufzunehmen, um unser Format zu testen.  

Max: Ein Vorteil war auch, dass wir keinem großen Druck ausgesetzt waren, weil wir kein Publikum hatten. Das ist schon eine andere Sache, wenn man zum Beispiel als YouTuber 20.000 Zuschauer hat und das direkt viele Leute sehen. Wir hatten diese Fallhöhe aber nicht. 

Der Podcast war von Anfang an ein Versuch.

Tubesights: Mittlerweile könnt ihr alle Aufnahmen auch veröffentlichen. Was habt ihr verändert? 

Max: Es wurde einfach immer klarer wer welche Positionen hat. Die Rollen haben sich eingespielt und das hat dann eine eigene Dynamik für den Podcast geschaffen. 

Tubesights: Wie geht ihr konzeptionell bei einer neuen Episode vor? 

Ansgar: Ich versuche viel zu lesen mir Gedanken von anderen zu dem Thema anzueignen. Bei Gästen gibt es ein Interviewskript, mit Themen, die wir abarbeiten können und Fallstricken, die wir umgehen sollten. Wenn wir nur zu zweit sind, gibt es auch ein Skript. Da ist aber nicht haargenau vorformuliert, was wir sagen werden. Dadurch würde die Gesprächsdynamik verloren gehen. Wir überlegen uns aber schon vorher, wann wir welchen Aspekt des Themas betrachten wollen und was ein Twist sein könnte. 

Tubesights: Ansgar, du studierst Literaturwissenschaften und Max, du hast kreatives Schreiben studiert. Wäre es nicht viel naheliegender gewesen einen Blog zu starten anstatt eines Podcast? 

Ansgar: Am Anfang hatten wir tatsächlich überlegt etwas zu schreiben. Aber ein Podcast ist viel offener als ein Text auf einem Blog. In einem Text gibt es meistens einen formulierten Standpunkt, der feststeht. Uns war ein Format wichtig, bei dem es mehr Möglichkeiten gibt offen zu diskutieren. Wir wollten eher den Prozess der Diskussion abbilden als das Ergebnis und dafür eignet sich ein Podcast sehr gut. 

 

Instagram wurde wichtiger als Facebook

Tubesights: Wie habt ihr versucht neue Leute mit in eure Diskussion zu holen? Hattet ihr eine Social-Media-Strategie? 

Ansgar: Nein. Wir hatten keine Strategie. Es war auch nicht der Plan damit berühmt zu werden. Es war kein durchgeplantes Start-up, es war eher ein Projekt, dass uns inhaltlich wichtig war. 

Max: Es ging uns vor allem darum, qualitativ und inhaltlich zu arbeiten. Auf Facebook haben wir in unseren Posts zum Beispiel sehr lange Texte geschrieben.  

Tubesights: Hat euch Facebook überhaupt eine Reichweite gebracht? 

Ansgar: Wir haben bei Facebook viele Freunde eingeladen, unsere Seite zu liken und unseren Podcast zu hören. Wenn man den nur hochlädt, passiert da gar nichts. Dann gab es die ersten Rückmeldungen und dann ist es ein bisschen gewachsen, darüber sind dann langsam kleinere Medien auf uns aufmerksam geworden. Das war aber noch sehr überschaubar, etwa 200 Aufrufe pro Folge. Facebook ist mittlerweile aber nicht mehr das Medium, das wir nutzen. Der eigentliche Kanal, den wir nutzen ist Instagram, weil es deutlicher besser funktioniert und bessere Möglichkeiten zur Interaktion bietet. 

Tubesights: Wie wichtig ist Instagram für euren Podcast? 

Max: Sehr wichtig. Wir kriegen sehr viele Nachrichten über Instagram und können die Aufrufzahlen auf unseren Podcast mit dem Content, den wir dort posten, beeinflussen. Dafür nutzen wir Memes, Zitattafeln oder Umfragen in den Stories. 

Tubesights: Habt ihr denn mittlerweile eine Strategie für Social-Media? 

Max: Ja. Wenn wir eine neue Episode veröffentlichen, versuchen wir in diesem Zeitraum ein bis zwei Zitate aus der Folge auf Instagram zu posten. Und ganz klassisch machen wir auch Interaktionsspiele, kürzlich hatten wir zum Beispiel das Thema „Übergriffe von Männern“. Dann fragen wir in unserer Story nach Erfahrungswerten, ob das jemand schonmal erlebt hat. Wir machen auch immer Fragensticker in der Story, wenn wir eine Idee für eine neue Folge haben, um Input zu bekommen.  

Ansgar: Die meiste Energie geht aber schon in den Podcast, weil das unsere Hauptplattform ist. Instagram muss aber auch für sich stehen. Da können wir nicht nur auf die Podcast-Episoden verweisen. Nicht jeder der auf Instagram kommentiert, hört auch die Folge, oder jeder, der das Zitat liest, kann das auch in den Kontext der Folge setzen. Also auch da muss unsere Message funktionieren, wenn man nur den Account anschaut. 

 

Der Umgang mit Kritik und negativen Kommentaren

Tubesights: Bekommt ihr auch Kritik mit steigender Reichweite? 

Ansgar: Ich hatte während eines Interviews mal einen Pullover mit Blumenmuster an, für den gab es in Nachhinein sehr große Kritik… (beide lachen) 

Max: Ne, der Großteil der Kommentare ist positiv und die Leute sind aufgeschlossen und wollen inhaltlich mit uns reden. Es kommen aber auch schwierige Leute, die uns oder die Themen, mit den wir uns auseinandersetzen, blöd finden. 

Tubesights: Wie geht ihr mit negativen Kommentaren um? 

Max: Durch meine Erfahrungen aus dem Online-Journalismus habe ich gelernt: Einfach keine Kommentare lesen. Das ist bei uns aber nicht realisierbar, weil wir für uns selbst Inhalte veröffentlichen. Also wenn ich zum Beispiel für den Spiegel schreibe, dann kann ich mir erlauben, die Kommentare zu ignorieren, weil da sind Leute angestellt, die sich um die Kommentare kümmern. Bei Männerkitsch geht das nicht, denn hier tragen Ansgar und ich die Verantwortung für die Kommentare. So gern man auch will, Kommentare sollte man nicht ignorieren. Da muss man dann auch lernen, die nicht zu sehr an sich heranzulassen.  

AnsgarIch glaube, das Einzige was hilft, ist einfach stur gute Laune zu haben. Es hilft nicht, wenn man sich auf einen scharfen Ton in den Kommentaren einlässt. Da kommt sowieso keine Diskussion zustande. Da schreit man sich einfach an. Das hilft niemandem und es verbreitet sehr schlechte Stimmung bei allen die mitlesen. Was hilft: faktenbasiert und nett antworten. 

Ich glaube, das Einzige was hilft, ist einfach stur gute Laune zu haben. 

Max: Ganz allgemein hilft es sich immer wieder zu sagen: Das ist nicht das echte Leben. Wenn man spazieren geht und einen Fremden auf der Straße sieht, wird der dich nicht anschreien. 

Ansgar: Meistens, wir sind immer noch in Berlin (lacht). 

 

Professioneller im Funk-Talentnetzwerk

Tubesights: Seit Februar seid ihr Teil des Funk-Talentnetzwerks. Was hat euch das gebracht? 

Beide: Fun.  

Tubesights: Abgesehen davon? 

Ansgar: Vor allem Professionalisierung. Es wurden auch langsam größere Medien auf uns aufmerksam, z. B. die Taz oder das Zeit Magazin. Es war nicht mehr nur ein Hobby, wir haben es aber betrieben wie ein Hobby. Und jetzt, durch Funk, ist es wirklich zu einem professionelleren Job geworden.  

Max: Einer der größten Unterschiede ist, dass wir von außen professioneller wahrgenommen werden. Wir sind jetzt nicht mehr die zwei Jungs, die irgendwie so einen Podcast machen. Aber es hat auch sehr viel mehr Arbeit gebracht. Wir studieren beide und wir haben nebenbei noch andere Projekte, und das alles gleichzeitig zu organisieren, ist wirklich viel Arbeit. Man will auch noch ein Privatleben haben.  

Tubesights: Wie unterstützt euch Funk? 

Max: Es heißt ja Talentnetzwerk. Dieses Netzwerk beinhaltet nicht nur Funk-Formate sondern den kompletten öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wir bekommen mittlerweile auch Anfragen von den in Anführungsstrichen großen Playern. Formate vom SWR oder MDR melden sich bei uns und wollen Kooperationen machen oder sich austauschen. Wir waren zum Beispiel zu Gast bei dem Podcast „Komplett verwirrt“ oder bei „Deutschland3000“. Und auch der Podcast „Intimbereich“ von 1live hat uns eingeladen. (Anm.: Die Episode ging am 4. Mai 2021 online.) 

Wir bekommen mittlerweile auch Anfragen von den in Anführungsstrichen großen Playern.

Ansgar: Aber ich habe auch über meinen privaten Account mit Leuten von der ARD geschrieben, die mich mittlerweile als Kollegen wahrnehmen. 

Tubesights: Ihr werdet also deutlich ernster wahrgenommen, ist das die Quintessenz? 

Ansgar: Wir nehmen uns auch selbst ernster (lacht). 

 

Gedanken für die Zukunft

Tubesights: Seid ihr mittlerweile angekommen oder gibt es noch Ziele, die ihr erreichen wollt? 

Ansgar: Mich interessiert die thematische Weiterentwicklung des Podcasts. Wie kann man so über Männlichkeit diskutieren, dass es eben Menschen erreicht und Männer? Und dass es da dann zu Diskussionen kommt und eben nicht zu harten Fronten. 

MaxFür mich hat der Podcast als ein egoistisches Projekt angefangen, in dem ich was lernen wollte und Dinge anders machen wollte in meinem Leben. Und das hat auch geklappt, ich habe sehr viel über mich dazugelernt und ich bekomme das auch von meinen Bekannten so gespiegelt. Ich hoffe, dass das auch weiterhin so bleibt. 

Tubesights: Habt ihr abschließend noch ein paar Tipps, auf was neue Podcast-Creator am Anfang achten sollten? 

Ansgar: Die Folgen sind besser zu kurz als zu lang. 

Max: Habt eine Dramaturgie. Stellt euch die Frage: „Warum sollten Leute das hören, was unterscheidet es von einem privaten Gespräch?“ 

Ansgar: Die Idee ist erstmal wichtiger als die technische Ausstattung.  

Max: Seit Klaas Heufer Umlauf (lacht). Nutzt die Reichweite, die ihr vielleicht irgendwann mal habt, um etwas Gutes zu tun. Das klingt etwas pathetisch. Aber versucht die Reichweite sinnvoll einzusetzen. Damit kein Schaden für andere Menschen entsteht. 

Tubesights: Vielen Dank euch Beiden. 

Ansgar: Gerne. 

Max: Danke dir. 

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